von Marco Ruckenbrod

Mut. Eine einzige Silbe, drei einfache Buchstaben und doch ein so großes Wort. Während ich im wilden Getümmel an der sonnigen Croisette sitze, Menschen aus aller Welt – und mit ihnen der erste Festivaltag – rasend schnell an mir vorüber ziehen, ist es das Wort, das hängen bleibt: Mut. Denn an Tag 1 dreht sich auf den Bühnen von Cannes vieles um dieses kleine Wort mit großer Bedeutung.

Mut für seine Überzeugungen einzustehen

Das wohl eindrücklichste an diesem Tag ist die Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Wie schon vor einigen Wochen zu den Filmfestspielen in Cannes meldet sich Selenskyj auch an diesem Tag an der französischen Küste zu Wort. Und findet dabei freilich Gehör und außerordentlich viel Beifall für seine Worte. Zugegeben: das Mindeste. In seinem Statement spricht er viel von ‚bravery‘ und davon wie ‚fearless‘ sein Volk sei. Keine Frage: das ist eine ganz eigene Kategorie von Mut. Eine Kategorie, die größte Bewunderung verlangt. An die Festivalbesucher richtet er dabei auch einen klaren Appell: „We need people like you. You are the most creative people in the world.“ Der Satz wirkt nach, der Satz macht nachdenklich. Denn er stimmt. Und man fragt sich unweigerlich: Sollte die Kraft von Kreativität nicht noch viel stärker für die Bewältigung der großen Krisen dieser Welt genutzt werden? Für Krieg, Klima und co. Anstatt ‚nur’ für Marken und deren Kommunikation? Sicherlich eine Frage, die gerade die Cannes Lions als das ‚Festival of Creativity‘ einmal reflektieren sollten: Welche Rolle kann und soll Kreativität in Zukunft spielen für Wirtschaft und Gesellschaft über die eigene Branche hinaus? Cannes nimmt schließlich für sich in Anspruch: „providing a global destination and the definitive benchmark for creativity that drives progress.“ Ich denke: Cannes kann mehr.

Mut gesellschaftliche Debatten anzustoßen

Apropos ‚Driving progress‘: Dass Cannes mehr kann, erlebe ich wenig später an diesem Tag im Saal des Debussy Theatre. Dort auf der Bühne diskutieren – vor vollen Rängen – Tarana Burke, Gründerin des „me too”-Movements und Susan Credle, Global Chief Creative Officer von FCB. Im Gespräch reflektieren die beiden gemeinsam was #metoo bedeutet, wie es überhaupt dazu kam und wie es sich über die Jahre entwickelt hat. Das Thema zeigt, welche Kraft Kommunikation entfalten kann: es war das Jahr 2017 als binnen 24 Stunden mehr als 12 Millionen Menschen weltweit auf ein Posting unter dem Hashtag #metoo reagiert haben. Damit war eine gesellschaftliche Debatte von herausragender Bedeutung angestoßen, die eine nachhaltige Wirkung entfaltet.

Mut kreative Schaffensprozesse neu zu denken

Ein weiterer mutmachender Talk an diesem Tag: alma DDB X Pepsi. Todd Kaplan, CMO von Pepsi und Luis Miguel Messianu, Chairman von alma DDB, plaudern heiter über die erfolgreiche Kampagne #BetterWithPepsi – und noch viel wichtiger: über den ko-kreativen Prozess zwischen Agentur und Kunde hinter dem kreativen Output. Sie nennen das Ganze ‚Collaborativity‘ und geben Einblicke, wie die Zusammenarbeit aussah. Kreative Entwicklungsprozesse neu zu denken und sich vom klassischen Kunde-brieft-Agentur-Prinzip zu verabschieden, ist sicherlich nichts ganz Neues. Und dennoch weiterhin der Standard. Leider. Ein Standard, den es mehr und mehr zu hinterfragen gilt. Mit ein bisschen mehr Mut sicherlich eine vielversprechende Perspektive für alle Beteiligten.

Mut – die Eigenschaft des Löwen

Surprise, surprise: es ist ausgerechnet der Löwe, der für Mut steht. Und mit ihm die Cannes Lions. Cannes ist vor allem eine Geschichte der Löwen. Das weltberühmte Festival ging erstmals 1954 in der Lagunenstadt Venedig an den Start. Die Stadt Venedig spielt für Cannes bis heute eine prägende Rolle. Denn die Statue des geflügelten Löwen auf der Piazza San Marco ist seit 1954 bis heute Sinnbild für die begehrten Trophäen. Für mutige Ideen, wenn man so will.

Surprise, surprise die Zweite: seit dem Jahr 1954 spielt auch für unser schönes Baden-Württemberg der Löwe eine prägende Rolle. Genauer gesagt drei Löwen. Denn seither zieren sie das Wappen des Landes: drei Löwen, die mutig nach vorne schreiten. Da ist er also: der erste Hauch Baden-Württemberg in Cannes. Ein bisschen THE LÄND in Cännes. Das macht Mut für die kommenden Tage.