Raus aus der Bubble

Von Florian Mayer

Das Cannes Lions Festival of Creativity – alljährliches Klassentreffen für Kreative aus der ganzen Welt. Gelegenheit, um sich mit anderen Kreativen über Kreation und Kreativität auszutauschen, zu networken und ihre Arbeiten auszuzeichnen … und sich in der Cannes- und Werbe-Bubble aus Sand, Rosé und Award-Shows zu feiern.

Dieses Jahr fand das „präsenteste“ aller Events pandemiebedingt komplett digital statt – und während die BW Lions den Hospitalhof kurzerhand zur coronakonformen Mini-Croisette umfunktionierten und einen Hauch von Festival-Feeling verbreiteten, war der Stuttgarter Alltag inklusive dem einen oder anderen Regenschauer doch ziemlich nah. So schade das ist, erlaubte es einen Laptopbildschirm-gefilterten, dadurch differenzierten Blick auf die Kreativbranche und reflektiert die Entwicklung der ausgezeichneten Arbeiten.

Denn auch Werbung, Kommunikation, Kreativität selbst finden seit einigen Jahren raus aus der eigenen Bubble. Schlagen eine Brücke zwischen Marke und Purpose, Verkaufen und Relevanz. Unternehmen begreifen, dass sie, um gesehen zu werden, nachhaltige Bindungen schaffen und Symbiosen eingehen müssen. Mit ihrer Zielgruppe, Popkultur, technischen Innovationen – und den sozialen bzw. gesellschaftlichen Aufgaben, mit denen wir konfrontiert sind. Werbung nervt. Im Zeitalter des Informationsüberflusses ist diese Feststellung wichtiger denn je.

Und so werden aus Chips-Herstellern Entertainment-Plattformen (Doritos: The Cool Ranch Dance von GS&P), aus Fast Fashion-Stores nachhaltige Instant-Recycling-Systeme (H&M Looop von AKQA) und aus Vibrations-Westen für Mukoviszidose-Patient:innen Soundmaschinen (Woojer: Sick beats von Area23). Zahlungsdienstleister brechen branchentypische Semiotik, Kommunikationsmuster und Erwartungen und werden Shopping-Erleichterer (Klarna: Smooth von NORD DDB). Ein Hygieneprodukte-Hersteller sorgt dafür, dass ein unfaires Gesetz geändert wird (The Female Company: Tampon Book von Scholz & Friends). Und die Uncensored Library von DDB Berlin für Reporter ohne Grenzen macht das Computerspiel Minecraft zur Free Speech-Plattform.

Kreative Kommunikation im Zeitalter der Relevanz – ich freue mich drauf, mehr davon zu sehen. Nächstes Jahr vor Ort, in der Cannes-Bubble.

 

Bild: Sime Basioli / Unsplash