Award-Show-Gedanken

von Sonja Rehm

Im abgedunkelten Saal des Palais des Festivals in Cannes betreten gerade die Gewinner*innen die Stage. Sie erhalten einen von zwölf goldenen Löwen, die heute Abend verliehen werden. Magisch glitzert er im Scheinwerferlicht, wird im Team herumgereicht, geküsst und hochgehalten. Stolz und Freude spiegeln sich in den Gesichtern der Gewinner:innen wieder. Dies ist ihr Moment, genau wie das Cannes Lions Motto es verspricht.

Etwas schwermütig muss ich mir selbst eingestehen, dass auch ich gerne auf der Bühne stehen und einen dieser Löwen in meinen Händen halten würde. Dieser Award ist schließlich DIE Auszeichnung in der Branche. Seit ich vor vielen Jahren als Junior Art Direktorin in der Branche gestartet bin, begleitet mich dieser Wunsch. Bis heute ist er unerfüllt geblieben. Und um ehrlich zu sein, tut dies auch ein bisschen weh. 

Ist man als Kreative weniger wert oder gar weniger kreativ, wenn man keinen Löwen gewonnen hat?! Eine Frage, die sich mir immer wieder stellte, vor allem an Punkten meiner Karriere, als ich auf Job-Suche war. Es dauerte ein paar Jahre, bis ich erkannte, dass Kreativität nicht (nur) an Awards messbar ist.

Am Ende ist man doch selbst seine eigene kreative Messlatte. Es gibt so viele von uns da draußen, die keinen Löwen im Regal stehen haben, und trotzdem einen wahnsinnig guten Job machen. Natürlich ist nicht alles Gold, was wir tagtäglich schaffen. Aber wir sollten jedes Projekt so angehen, dass auch wir am Ende stolz auf unsere Arbeit sind. Ganz ohne Bühne. Einfach nur für uns selbst. Und vielleicht endet es ja doch eines Tages mit einem Löwen.

Getrieben von meiner Post-Cannes-Lions-Motivation werden sich meine Kolleg:innen in nächster Zeit anhören müssen, dass wir UNBEDINGT einen Löwen gewinnen müssen. Vielleicht stimmt am Ende die abgedroschene Kalenderspruch-Weisheit „If you can imagine it, you can achieve it.“ ja doch?

Ich schließe die Augen. Es ist Cannes Lions Festival 2026. Der Saal im Palais des Festivals ist bis oben hin gefühlt. Nervös sitze ich in meinem Kinosessel. Auf der großen Leinwand wird gerade unsere Arbeit vorgestellt. Gleich wird man uns auf die Bühne rufen. Das ist mein Moment.