Auf in neue Gefilde – ob wir wollen oder nicht

von Kurt K. Eifler

Cannes ist für mich ein Highlight, wie für jeden Filmemacher. Ein lang ersehnter Traum, die Filmfestspiele oder die Cannes Lions zu besuchen. Verstärkt wurde dieses Gefühl,  als ich 2015 im Urlaub hier aufgeschlagen bin. Seitdem steht der Besuch jährlich auf meiner Bucket List. Nun bin ich mit den BW Lions tatsächlich hier. Am ersten Tag wusste ich noch noch genau, was mich erwartet, am Abend fühlte ich mich nicht abgeholt. Jetzt, da die Hälfte der Woche vorbei ist, weiß ich: Ich komme bestimmt wieder, dann aber mit einer Einreichung.

Für Cannes habe ich mir (wie die Kollegen Moritz Schreiner und Daniel Hofmeier) das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben, unter anderem da ich mit EMD Studio ab Herbst ins Green Producing einsteigen werde. Jetzt könnte man denken: Marketing, Werbung und Nachhaltigkeit – wie passt das zusammen? Genau das ist der Punkt, es passt noch nicht. Und die großen Brands lassen es einen in jedem Vortrag spüren (soweit man nicht in der American Goodlife Bubble steckt). Da kann es schon mal passieren, dass auf einen dreieinhalbminütigen Monolog zu „The Everything Change“ das Statement einer indigenen Speakerin aus Brasilien Txai Surui gegeben wird folgt, um dann festzustellen, dass die Manager und CEOs einfach nur Werbung für Metaverse machen, den Konsum antreiben wollen und überhaupt nicht auf die Problematik eingehen. Mehr dazu auch im Blogbeitrag von Daniel Hofmeier.

Peinlich wie enttäuschend zugleich war für mich Überraschungsgast Ay Young. Sagt Ihnen nichts? Ein äußerst engagiertet Musiker, Botschafter sowie Young Leader der UN für Nachhaltigkeit und die 17 Ziele zum Klimawandel. Enttäuschend deshalb, weil er mit seinem Auftritt weder Probleme benannt, noch Lösungen geboten hat. Peinlich deshalb, weil der durchaus sympathische junge Mann durch den Saal hüpft, um gute Laune zu verbreiten, die irgendwie mehr Aufmerksamkeit für die Klimaerwärmung erzeugen soll. Mich hat die Botschaft nicht erreicht, mehr „Awareness“ und Handlungsdrang zur Sustainability konnte ich auch nicht aufgreifen. Greenwashing und Probleme mit guter Laune überspielen helfen nicht. Für mich ist der Nutzen nicht klar ersichtlich.

Aber jetzt mal langsam, tut sich nicht doch was? Vielleicht in diesem neuen Metaverse? Es könnte die Rettung sein, wenn nicht mehr Tausende per Flugzeug zu keine Konferenzen und Festivals reisen und den persönlichen CO²- Footprint erhöhen. Keine Fashion Week mehr mit langen Reisen, tausenden Menschen und enormem Textilbedarf. Generell weniger Überproduktion, da Avatare NFT-basierte Kleidung tragen und digitale Gegenstände kaufen. Das sogenannte D2A-Business (Digital to Avatar). Was in der realen Welt getragen wird, während man als Avatar im Metaverse unterwegs ist? Egal. Das kennen wir schon aus den Videokonferenzen. Die Gefahr die ich im Metaverse sehe: wir verlieren die Kontrolle über Zeit, reale soziale Interaktion, echte Werte und auch zwangsläufig über den CO²-Verbrauch, noch mehr als es mit Social Media sowie schon ist. Die Technik wird zwar als klimafreundlicher angepriesen, aber was passiert hinter den Kulissen? Es müssen Server laufen, NFTs berechnet werden, Avatare, Grafiken und CGI gerendert werden, dafür sind große Bandbreiten notwendig. All das hat einen enormen Energiebedarf, erst recht wenn es nach Meta geht und wir ein Viertel unseres Tages, also 6 Stunden dort verbringen sollen. Und dieser Verbrauch wird uns noch weniger interessieren weil wir ihn dann gar nicht mehr visualisieren können – wir sind ja im Metaverse. Das Ungewisse in Verbindung mit einem Neuen Mark, der Verbrauch und Konsum in eine neue Richtung lenkt macht Angst. Was also tun, weder der Ist-Zustand mit reisen und Konferenzen ist tragbar, noch eine diffuse Technik

Der Plan ist also, so wie es scheint, mit Hilfe von dem Buzzword „Sustainability“ uns ein neues Produkt zu verkaufen. Eigentlich sollen wir, die Werbebranche und Filmemacher das Metaverse an die Marken und Unternehmen bringen. Damit sie dort ihre Produkte bewerben und NFTs bilden.

Für die, die noch nicht wissen, was das Metaverse eigentlich ist, könnte man sagen: Second Life 2.0 oder einfach eine virtuelle Welt, wie ein Spiel, in der man kommunizieren kann, Leute trifft und in Zukunft sowas wie eine Fashion Week stattfinden kann. Wir haben Metaverse natürlich ausprobiert. Die Welt wirkt wie in einer Nintendo-Go-Grafik. Das macht Spaß, doch sechs Stunden will ich hier nicht verbringen. Allein das Gewicht der Brille und das ständige Verrutschen killt auf Dauer das Erlebnis, dazu kommen eine „veraltete“ Grafik und Bugs. Nicht zu vergessen, es ist ein Erlebnis, also für kurze Zeit unterhaltsam, mehr eben nicht.

Kurzum: In den Vorträgen geht es um Werbung, Product Selling und Wachstum von Marken, weshalb wie immer wieder vom neuen Metaverse zuhören bekommen haben. Nachhaltigkeit kommt nur zum Tragen, wenn damit das Produkt besser vermarktet werden kann. Das ist die Essenz von Werbung: verkaufen verkaufen verkaufen. Ein Vortrag wie der von Lisa Merrick Lawless ist da erfrischend. Mit Purpose Disruptors geht sie einen wichtigen Schritt und hat erkannt, worum es in Sachen Nachhaltigkeit geht. Sie hat ein Netzwerk gebildet und produziert nun Green Ads, also Werbung, die nachhaltige Produkte bewirbt – mit nachhaltig produzierter Werbung. Schön auch, dass der Saal voll war da alle dachten Ryan Renolds wird ein zweiten Vortrag halten.. Das Thema Sustainability hatte dadurch maximal viele Zuhörende – Cannes Lions, doch was richtig gemacht. Wenn das Festival jetzt noch Sustainability als Bewertungsfaktor einführt, wäre das großartig.

Ihr Punkt für die Kreativbranche ist: setzt eure Kreativität ein, um Sustainability voranzutreiben, vorzudenken und zu fantasieren – nur mit unserer Vorstellungskraft, die in Filmen und Kampagnen abgebildet wird, schaffen wir es, den Rest zu überzeugen, Lösungen zu initiieren, um eine nachhaltigere Welt zu schaffen. Diesen kreativen Impact spürt man letztendlich dann auch in den Award Shows, die mich persönlich antreiben, etwas zu schaffen, zu produzieren, selbstverständlich nachhaltig – um damit voranzugehen und im besten Fall eine preiswürdige Einreichung zu produzieren.