Von der Not zur Tugend

von Julia Hartmann

 

Es sind angenehme 28°C, eine leicht Brise Meeresluft weht an uns vorbei. Die Möwen fliegen weit

oberhalb des Meeresspiegels. Ein gutes Zeichen. Die Füße im Sand und den Blick für einen

Moment auf die Weiten des Horizonts gerichtet. Eine kurze Pause, kurz Durchatmen, bevor wir

uns wieder in die mitreißende Welle der Cannes Lions stürzen. Das Rauschen des Meeres

unterdrückt für einen kurzen Augenblick das wilde Stimmengewirr eines farbenfrohen, lauten

Spektakels. Ein Mosaik aus Farben, Geräuschen und Gerüchen, das ein einzigartiges Bild prägt.

So hätte es sein können. Diese Geschichte hätte ich gerne erzählt.

Heute erzähle ich eine andere Geschichte. Die Geschichte, wie die „Delegation Inspiration“ den

wahren Kern des Festival of Creativity jeden Tag manchmal auf ganz unbewusste Weise, zuhause

in Stuttgart lebt: Kreativität (at its finest).

Kreativität in der Akzeptanz unumgänglicher Gegebenheiten. Kreativität im Umgang mit Technik,

die nicht nach Plan funktioniert. Kreativität im möglich machen der besten digitalen

Festivalerfahrung.

Und auch wenn man die Situation beweinen könnte und in den letzten Tagen immer wieder der

Satz „Nächstes Jahr wird es dann umso besser“ fällt, macht sich eine ganze eigene Dynamik

bemerkbar. Eine Dynamik, die dann entsteht, wenn man „hätte hätte Fahrradkette“ bei Seite legt

und aus der Not eine Tugend macht.

In unserem Fall bedeutet das schlichtweg, die eher ungünstigen Voraussetzungen zu nutzen, um

daraus etwas Gutes entstehen zu lassen. Denn anders als alle anderen Delegierten vor uns, haben

wir die einmalige Möglichkeit unseren Kreativstandort Baden-Württemberg an der Côte d’Azur

nicht nur zu repräsentieren, sondern aktiv miteinzubeziehen. Wir können uns die Zeit nehmen, um

in Live Talks in den zahlreichen Kulturstätten des Heimathafens, fokussiert über Klarna, Frito Lay

und Co. zu sprechen. Auf einzelne Themen einzugehen und Cases, die uns inspirieren, in Realtime

nach außen tragen.

Und dann formt sich aus einer bunten Mischung Delegierter langsam und ganz unscheinbar ein

Team, das einen nach und nach etwas aus dem Arbeitsalltag löst. Fast schon, als wäre man

tatsächlich auf Reise. (Oder auf Klassenfahrt).

Ich merke, wie sich meine Perspektive durch den intensiven Austausch von Tag zu Tag öffnet, und

nehme nicht nur wahr, aus wie vielen verschiedenen Orten des Planeten die Kraft der Kreativität

sprüht, sondern lerne meinen eigenen Standort, insbesondere die Menschen, die ihn gestalten,

viel bewusster kennen.

Und wenn sich die legendäre 120 Minuten Party im kleinen Kreis nach privater Homeparty anfühlt,

kann man natürlich trotzdem noch sagen, dass nächstes Jahr alles besser wird. Man kann den

Moment aber auch einfach genießen, und ganz im Sinne von „Courage is beautiful“ über alles

Negative hinweg, die Schönheit in den Dingen sehen. (Auch wenn uns wohlweislich bewusst ist,

dass wir keine Leben retten!)

Ich werde darin bestätigt, dass Inspiration immer oder vielleicht ganz speziell im Kleinen zu finden

ist. Dann wenn man hin schaut, sich frei macht und sich einfach in das Erlebnis rein fallen lässt.

 

Bild: Aron Visuals / Unsplash