Dogs of Cannes

Von Clemens Kaiser

Der frisch ausgerollte pinkfarbene Cannes-Teppich strahlt mit dem hellblauen Mittelmeer um die Wette. Auf 2 Kilometern Strand bis vor das Festival Gebäude haben sich die großen digitalen Player in den Sand gegraben. Google, Facebook und Spotify laden mit schicken Strandbars, Liegestühlen und LED Leinwänden zum Verweilen ein. Ein kleiner Hund hebt sein Bein an einem blauen Stuhl.

Das Palais hat seine Tore geöffnet, die Securitys sehen noch frisch aus und wir alle tragen unser essenzielles Einlass-Badge stolz um den Hals. Es kann also losgehen.
Gefühlt tausende von Vorträgen, Workshops, Panel Diskussionen warten darauf gesehen und gehört zu werden. Zum Glück gibt es die Cannes Lions App, die uns durch das vielfältige Angebot lotst.
Ich hatte noch keine Woche erlebt, in der ich so innig mit meinem Smartphone verbunden war, wie in dieser. Hier noch schnell ein Foto, hier ein Video für Instagram, hiervon noch ein Boomerang. Alle unsere Sinne sind auf totalem Empfang, auch die unserer Iphones.

Die Menge an Informationen lässt uns nicht ermüden. Wir dokumentieren Vorträge und prämierte Arbeiten, teilen unsere Standorte mit den Kollegen der Delegation, finden uns zusammen und verteilen uns wieder in Gruppen oder auch alleine zum nächsten Programm. Die abendlich stattfindenden Award-Shows verleihen dem Festival den eigentlichen Glamour. Im größten Kino-Saal wird das Entertainment vom feinsten hochgefahren, das Licht im Saal geht aus und alle 2000 Smartphones blicken gespannt auf die Bühne. Nun aber reicht es für heute, jetzt noch schnell ins Meer springen und dann auf eine der vielzähligen Partys rennen, auf welche habe ich gerade vergessen. Beim Rausgehen stolpere ich über einen kleinen Hund.

So ähnlich verlaufen die weiteren Tage unserer Cannes Woche. Zwischen Vorträgen, Mittagessen bei facebook, Panel Diskussion, Handy laden und Partys reifen in unseren Köpfen die diesjährigen Buzzwords Gender, Sustainability, Diversity, Connectivity, Purpose…das muss sich erstmal alles setzten. Meine FlipFlops sind heiß gelaufen und ich muss einen Gang runter schalten. Unserem schnellen hoch und runter rennen an der Promenade de la Croisette weicht einem selbstschützenden Schlenden wie auf Marihuana. Das ist das richtige Tempo und wir bekommen trotzdem alles noch mit.

Wenn mich jemand nach dem für mich spannendsten Case in Cannes fragt, kann ich keine konkrete Antwort geben. Es ist einfach ein großer Schatz an kommunikativen Glanzleistungen. Mal informativ, oder euphorisch, mal verstörend.
Cannes gibt der Kommunikation, der Werbung Sinn, gibt ihr Substanz. Es versucht die Welt ein Stück zu verbessern, gibt Vorschläge will positiv motivieren oder weist auf Missstände hin.

Wenn bspw. eine junge Frau aus sozial schwachen Verhältnissen, mit Nike Schuhen an den Füßen, an sich glaubt und über sich hinauswächst ist das doch an sich eine tolle Sache. Marken können Menschen Orientierung und Halt geben. Vielleicht auch nur temporär aber immerhin. Oder wie im Falle von Nike („Dream Crazy“) eine gesellschaftliche Debatte aufgreifen und anstoßen. Es ist eine klare Haltung und eine konsequente Markenführung gepaart mit mutiger Kreation, was eine starke Marke ausmacht. Auch das wurde in Cannes wieder klar.

Vor meinen Augen taucht ein Hund mit seiner reifen Besitzerin auf, sie tragen beide die gleiche Frisur. Konsequent, mit Haltung und mutiger Kreation.

Marken mischen sich verstärkt in politische und gesellschaftliche Themen ein und übernehmen Verantwortung. Sie besetzten und gestalten neue Plattformen und Leidenschaften z.B. im eSport oder im Gaming. Intelligente und kreative Markenkommunikation im eSport und Gaming Umfeld ist stark im Kommen. Auch das zeigt Cannes in einigen Cases und hier liegt auch mein besonderes Interesse.

How to reach the unreachable? Das ist die Headline eines spannenden Vortrags der Electronic Sports League (ESL) und diese Frage stellen sich viel Markenmenschen, mich eingeschlossen.
Ein paar Beispiele: Microsoft Xbox „football decoded“ https://vimeo.com/270397845
Wendy`s „Keeping Fortnite Fresh“ https://www.youtube.com/watch?v=DhdQmDKTBgI

WWF #NoBuildChallenge https://www.wwf.fr/nobuildchallenge

Eine Woche geht schnell vorbei. Der pinkfarbene Cannes-Teppich ist mittlerweile schmutzig und stark malträtiert und hat seinen Wettstreit im Strahlen gegen das einladende Mittelmeer längst verloren. Die Möven in Cannes haben einen sonderbaren Dialekt und versuchen sich ihre Aufmerksamkeit im Werber-Trubel des Festivals zu erstreiten „it`s all about attention“.

Cannes jedoch fordert mit seinen prämierten Arbeiten zum tiefergehenden Austausch und Denken auf. Es steht für mich für Offenheit und Vielfalt gegenüber dem Menschen sowie der Kommunikation.
Und was sind das hier eigentlich für Hunde?